Niederlassung in Berlin
"Wir müssen in die Höhle des Löwen gehen", schrieben die Sacre Coeur Schwestern, als sie sich entschlossen, 1937 nach Berlin zu gehen. Der internationale Erzieherorden Sacre Coeur verstand seinen Auftrag seit seiner Gründung in Frankreich nach der Französischen Revolution um 1800 durch Madeleine Sophie Barat (1779 – 1865) gerade auch während gesellschaftlichen Umbrüchen. So richteten die Sacre Coeur Schwestern in Berlin in einem ehemaligen Sanatorium in der Hagenstraße im Grunewald (jetziges Carl-Steeb-Heim) ein Wohnheim für studierende und berufstätige Mädchen ein, in dem auch Glaubensseminare und Exerzitien stattfanden. Schon im Mai 1938 wurde dort auf Bitten einiger katholischer Diplomaten für deren Kinder eine private französische Schule eröffnet. Die Internationalität der Schwesterngemeinschaft (30 Schwestern aus 9 europäischen Ländern) ermöglichte diesen besonderen Unterricht.
Im Juni 1941 setzte die Gestapo dem Engagement der Schwestern ein gewaltsames Ende: das Anwesen wurde beschlagnahmt, den Studentinnen gekündigt. Die Schwestern und eine Gruppe von etwa 40 Schülern fand Aufnahme bei den Steyler Schwestern im Kloster St. Gabriel in der Bayernallee in Charlottenburg.
Als die Kriegsunruhen in Berlin weiter zunahmen, brachten die Diplomaten ihre Familien in Sicherheit. Statt des internationalen Schulunterrichts gaben die Schwestern in der Pfarrei Heilig Geist Religionsunterricht. Im Januar 1944 sollte die Ordensniederlassung schon zum Schutz der Schwestern aufgelöst werden. Doch die Schwestern entschieden sich zu bleiben. Die mit der Oberin Mutter Tiefenbacher befreundete Ärztin Frau Dr. Westrich besorgte den Schwestern eine Bescheinigung, dass sie im Auftrag des internationalen Roten Kreuzes Verwundeten, Frauen und Mädchen halfen.
Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach Kriegsende
Bereits acht Tage nach der Kapitulation nahmen die Ordensschwestern den Unterricht als eine der ersten Schulen in Berlin wieder auf. Im Pfarrsaal der Pfarrei Heilig Geist und in einem Raum im Anbetungskloster der Steyler Schwestern wurden im Mai 1945 bereits 43 Jungen und Mädchen zwischen 5 und 12 Jahren unterrichtet.
Das war der Beginn der heutigen Herz Jesu Schule. Im September 1945 erteilten auch die Alliierten nach genauer Prüfung dem Schulbetrieb ihre Genehmigung. Schon bald fassten die Räume die Kinder nicht mehr. Auf dem Gelände des heutigen Pfarrkindergartens der Gemeinde Heilig Geist in der Preußenallee wurde eine Baracke errichtet, die der vierjährigen Grundschule mit ihren über 200 Schülern als Schulgebäude diente und im Mai 1946 von Kardinal von Preysing als „Herz Jesu Schule“ unter der Schulleitung von Mutter Kemen eingeweiht wurde.
Zeit der Berliner Blockade
Während der Berliner Blockade 1948 – 1949 stieg die Anzahl der Schüler auf 360. Ehemalige Schüler erinnern sich, dass ihre Familien in dieser Zeit mit Armut zu kämpfen hatten, so dass ihnen die warme, saubere Schule eine Zuflucht bot. Neben der Schulspeisung der Behörden, die an alle in mit Namen versehenen Aluminiumtöpfen verteilt wurden, erhielten die Kinder als Spende aus Schweden jeden Morgen einen Löffel Lebertran. Die Bedürftigsten durften sich nach der Schule zu den Schwestern an den Mittagstisch setzen und wurden von Schwester Helene mit durchgefüttert. Durch die Auslandsbeziehungen des Ordens konnten zusätzlich Lebensmittel organisiert werden.
Schulerinnerungen 1949
Für die Fleißigsten gab es zur Belohnung schon einmal ein Heft oder einen Bleistift aus Amerika. In den amerikanischen CARE Paketen befanden sich auch kleine Kreuze aus Aluminium, in die auf Französisch „für Fleiß“ eingestanzt war. Mit roten Bändchen und Sicherheitsnadel versehen ergaben sie die begehrten Fleißkreuzchen, die die Mutter Oberin und die Schulleiterin jeden Samstag der und dem vorbildlichsten Schüler/in pro Klasse verliehen. Diese Fleißkreuzchen wurden mit Stolz eine Woche an der Kleidung getragen und dann wieder zurückgegeben.
Doch es fehlte auch an Material und Raum. Das Lehrerzimmer diente zugleich auch als Sekretariat und bot deshalb fast nur Stehplätze. Frau Fettke, die als eine der ersten weltlichen Lehrerinnen seit 1948 an der Herz Jesu Schule unterrichtete, erinnerte sich an fast 50 Schüler pro Klasse, die kaum Hefte und Bleistifte besaßen und sich zu zweit ein Buch teilen mussten. Da die Schülerzahl weiter wuchs, suchten die Schwestern nach neuen Räumlichkeiten. Der zurückerhaltene Besitz in der Hagenstraße eignete sich nicht für den Schulbetrieb. So wurde im Juni 1948 eine alte Villa in der Insterburgallee 8-10 gefunden, unweit des bisherigen Standorts. Schon im Oktober 1949 siedelte die Schule in die Insterburgallee über. Die Ordensschwestern bezogen kleine Kammern im Dach der alten Villa, alle anderen Räumlichkeiten dienten als Schulhaus.
Erste Anbauten
Das Schuljahr 1950/51 begann nach den Osterferien mit 385 Mädchen und Jungen, unter ihnen 80 Schulanfänger. Die inzwischen sechs Jahrgänge der Grundschulklassen mussten aus Platzmangel in zwei Schichten unterrichtet werden. So finanzierte das Mutterhaus einen ersten Anbau mit 10 Klassenräumen und einer Gymnastikhalle (Aula). 1952 konnte Bischof Weskamm das neue Schulhaus einweihen.
Schon 1951 wurde an die sechsjährige Grundschule noch eine einzügige vierjährige Realschule (Technischer Zweig) mit kaufmännisch-hauswirtschaftlichen und sprachlichen (französisch) Kursen für Mädchen angeschlossen. Im Januar 1956 erhielt schließlich die private Herz Jesu Schule unter der Trägerschaft des Adelheid-Vereins Köln (Sacre-Coeur Schwestern in Deutschland/ Schweden) die staatliche Anerkennung.
Der Klostergarten wurde teilweise für den Unterricht genutzt. Die Oberschülerinnen bauten dort Gemüse an und im Swimmingpool der alten Villa fand der Schwimmunterricht statt. Nachdem allerdings eine Schülerin auf den Algen am Beckenrand ausgerutscht war und von Frau Fettke errettet werden musste, stellte man den hauseigenen Schwimmunterricht ein.
Aus dem Erlös des Verkaufs des Hauses im Grunewald konnte bald ein zweiter Erweiterungsbau mit Physikraum, Musiksaal, Zeichensaal und Küche finanziert werden. 1959 wurde dieser Anbau von Kardinal Döpfner eingeweiht.
Schulerinnerungen 1952
Dank des Erweiterungsbaus konnte nun auch Sportunterricht in der Halle stattfinden. Die Grundschüler trugen während des Sportunterrichts weiße Hemden und blaue Turnhosen. Für die Realschülerinnen befand die Schulleitung, dass die Farbe grün eher in die Schulumgebung passte. So wurde für sie nach amerikanischem Modell von einer Ordensschwester und zwei Hausangestellten die vorschriftsmäßige Sportkleidung geschneidert: eine grüne Pumphose und ein gleichfarbenes kittelartiges Oberteil, dessen überschüssige Länge schon einmal beim Hochsprung in die Hose gestopft wurde.
Zeit der Berliner Mauer
Obwohl 1961 durch den Bau der Berliner Mauer das Berliner Umland abgeschnitten wurde, verminderte sich die Schülerzahl der Herz Jesu Schule nicht. Mutige Lehrer begannen Schulausflüge und Besichtigungen nach Ost-Berlin zu unternehmen. Diese Ausflüge bedeuteten große Erlebnisse für die Kinder, da viele von ihnen den Ostteil ihrer Stadt nicht kannten. Im Jahre 1967 löste Schwester Hoffmann Mutter Kemen als Schulleiterin ab.
Schulerinnerungen 1969
Schwester Fietz umging die Regelungen der DDR, die vorschrieben, dass Schulklassen Ost-Berlin nur besuchen dürften, wenn sie teure Busse mit Begleitung und Führung auf vorgegebenen Touren buchten. Sie bat die Eltern, die Namen mehrerer Kinder auf ihre Visa zu setzen und die Klasse zu begleiten. So konnten sie in unauffälligen Kleingruppen auf eigenen Wegen die Stadt und die Museen erkunden.
Im Januar 1970 übernahm das Bischöfliche Ordinariat Berlin die Trägerschaft der Schule. Zwei Jahre später wurde beschlossen, die Realschule abzubauen und sie von der Liebfrauenschule am Theodor Heuß Platz weiterführen zu lassen. 1976 gingen die Schülerinnen der letzten 10. Klasse ab. Die Herz Jesu Schule ist seitdem eine zweizügige sechsjährige Grundschule für Jungen und Mädchen und die einzige katholische Grundschule in Charlottenburg.
Neue Schulleitung
Im Juni 1993 gab Schwester Hoffmann nach 26 Jahren das Amt der Schulleiterin an Schwester Lüttgen ab. Für das Abschiedsfest hatten alle Klassen und auch die Lehrer verschiedene Tänze eingeübt.
Rettung der Herz Jesu Schule
Um die Altersversorgung seiner Schwestern zu sichern, plante der Sacre Coeur Orden den Verkauf des Schulgeländes. Da der Schulträger sich nicht in der Lage sah, das Grundstück zu übernehmen, drohte schon die Schließung der Herz Jesu Schule zum 31. Juli 2005. Schon für das Schuljahr 2000/2001 sollten die Auswirkungen eintreten und trotz ungebrochener Beliebtheit der Schule und zahlreicher neuer Anmeldungen nur noch eine 1. Klasse eröffnet werden.
Vor Allem der finanziellen Unterstützung der benachbarten Steyler Missionare aus der Pfarrei Heilig Geist, aber auch des unbeirrbaren Engagements der Eltern, der Lehrer und des Freundeskreises ist die Rettung der Herz Jesu Schule zu verdanken.
Um- und Neubau der Herz Jesu Schule
Mit der existenziellen Sicherung der Herz Jesu Schule waren Visionen wieder möglich. Im Jahre 2003 wurde das Gelände vor dem hinteren Eingang zum Musiksaal mit Hilfe der finanziellen Unterstützung des Freundeskreises und der Eltern zu einem attraktiven „Atrium“ umgestaltet und mit zusätzlichen Spielgeräten ausgestattet, ein Gewinn sowohl für die Pausen- und Unterrichtsgestaltung als auch für Veranstaltungen der ganzen Schule. Auch ein weiterer Anbau wurde ins Auge gefasst, der dem räumlichen Bedarf des vermehrt durchgeführten Teilungsgruppenunterrichts und der stark nachgefragten nachunterrichtlichen Betreuung Rechnung tragen sollte. Für eine Finanzierung dieser Pläne konnte die Schulleitung die Deutsche Klassenlotterie gewinnen. Schwester Lüttgen, die das Konzept für die Erweiterung des Schulhauses noch mit auf den Weg gebracht hatte, übergab die Schulleitung im Juli 2004 an Frau Weischede. Zum feierlichen Festakt der Verabschiedung von Schwester Lüttgen, der letzten Ordensschwester der Herz Jesu Schule, kamen viele Gäste.
Im Februar des Jahres 2005 schrieben die Vorsitzenden des Gesamtelternrates Dr. Meyer-Wilmes und Frau Biasatti in einem ersten Brief an die Eltern der Herz Jesu Schule: „Sicher haben Sie in den vergangenen Wochen schon die gute, ja fast sensationelle Nachricht vernommen, dass unserer Schule aus Lottomitteln über 3 Mio. Euro zum Um- und Neubau zugesprochen wurden. Jahrelanges Warten auf einen positiven Bescheid für den eingereichten Antrag hat damit ein glückliches Ende gefunden. Ein lang gehegter Wunsch der Schulleitung und vieler Eltern ist in Erfüllung gegangen.“
Doch der Beginn des Neubaus erfolgte dann nicht wie erhofft im Sommer des gleichen Jahres, sondern verzögerte sich. Schwierige Verwaltungsverfahren machten einen Baubeginn erst im September 2006 möglich. Das alte Schwimmbecken und der eine oder andere Baum im Klostergarten mussten weichen für einen neuen Anbau. Geplant waren 12 Klassen- und Fachräume, sowie eine Cafeteria.
Am 15.11.2006 wurde bei strahlendem Winterwetter feierlich der Grundstein gelegt.
Der milde Winter des Jahres 2006/2007 machte einen raschen Baufortschritt möglich. Schon zwei Monate später konnte die Decke des zweiten Obergeschosses geschlossen werden. Am 19. März 2007 wurde feierlich unter Anwesenheit vieler Gäste das Richtfest gefeiert.
Bis zum Sommer ging der Innenausbau zügig voran. Ab Juli 2007 hieß es für die Lehrer, alle Materialien, Sammlungen und verborgenen Schätze des vergangenen, fast sechzigjährigen Schullebens des alten Schulhauses zu sichten, zu sortieren und zu verpacken für den Umzug in den Neubau. Der letzte Schliff für die neuen Schulräume erfolgte in den Sommerferien 2007, die dafür extra um eine Woche verlängert worden waren.
Nach den Sommerferien im September 2007 erwartete Schüler und Lehrer ein strahlend neues, rotes Schulhaus mit 12 neuen Räumen, in die die Klassen bis zur Fertigstellung des zu sanierenden Altbaus sich einrichteten. Da weder weiterer Stauraum noch Kursräume zur Verfügung standen und der Baulärm und der Baustaub aus dem Altbau stetig herüber getragen wurden, waren manchmal Geduld und Kreativität von allen Beteiligten für das Schuljahr 2007/2008 gefordert.
Endlich fertig
Nach rund zweijähriger Bauzeit steht die Herz Jesu Schule zu Beginn des Schuljahres 2008/2009 nun in neuem Glanz. Die Klassen- und Fachräume sind bezogen und alle Materialien wieder ausgepackt und verfügbar.
In der untersten Etage sind neben dem Sportsaal neue Umkleiden für Jungen und Mädchen entstanden, weiterhin ein neuer Gymnastikraum, ein Kunstraum sowie die Cafeteria mit angrenzender Küche. In der ersten Etage befinden sich die sechs Klassenräume der Klassen 1 bis 3, außerdem Teilungsräume und ein Hortraum. Sekretariat und Schulleitung sind in dieser Etage verblieben.
Die sechs Klassenräume der Klassen 4 bis 6 sind in der zweiten Etage untergebracht. Auch ihnen stehen weitere Teilungsräume zur Verfügung. Weitere zwei Räume werden vom Hort genutzt.
Im Dach befinden sich Fachräume für Naturwissenschaften, Computer und Musik, außerdem ein Konferenzraum, ein Raum für Eltern- und Beratungsgespräche und ein Raum der Stille.
Eine durchdachte Gestaltung des Außengeländes, die Spiel-, Sport- und Rückzugsmöglichkeiten einschließt, steht als große Aufgabe noch bevor. Doch im Vertrauen auf die Schulgemeinschaft und mit dem Segen Gottes wird es auch in Zukunft gelingen, für Kinder einen Lern- und Bildungsraum zu schaffen, der dem Leitbild der Herz Jesu Schule entspricht:
Miteinander leben
Miteinander lernen
Miteinander glauben -
mit dem Herzen sehen
Text aus der Festschrift anlässlich der Einweihung des Neubaus am 26. September 2008.
Grafische Gestaltung und Satz der Festschrift: Michaela Radtke